Bereits im April letzten Jahres berichteten wir mit Blick auf die Kommunalwahl 2020:
Sierau geht, Westphal kommt. Das bestätigte jetzt die Dortmunder SPD-Chefin Nadja Lüders in einem Interview des Dortmunder Zeitungsmonopolisten Ruhr Nachrichten. Ihre Ansage: Sie gehe nicht davon aus, dass Sierau noch einmal antreten wird. Zugleich lobt Lüders den Chef der Wirtschaftsförderung Thomas Westphal über den grünen Klee. Bis zum 13. November ist jetzt Spitzenkandidaten-Meldeschluss bei den Genossen, bereits am 29./30. November soll dann der designierte OB-Kandidat auf einem Parteitag nominiert werden.
Damit ist die Sache eindeutig: Dortmunds SPD hat klar gemacht, dass sie nicht erneut mit Ullrich Sierau als Oberbürgermeister in den Kommunalwahlkampf 2020 ziehen wird. Ein Wahlkampf, der sicherlich der schwerste in der Dortmunder SPD-Geschichte sein wird.
Im Bund liegt die SPD bei aktuell nur noch 13 Prozent, bei den Europawahlen verlor die SPD in Dortmund von 39,3 Prozent auf 22,9 Prozent. Ein Desaster sind auch die Mitgliederzahlen der Genossen in Dortmund. Inzwischen dürften es deutlich weniger als 6000 sein, die dem stärksten Unterbezirk in Deutschland noch die Treue halten. Einst, 1973 beim Amtsantritt von Günther Samtlebe als SPD-OB, waren es noch satte 25000 Mitglieder. Kein Zweifel: Es herrscht Kammerflimmern in der sogenannten „Herzkammer der Sozialdemokratie“, wie einst Herbert Wehner die Stadt bezeichnete, die seit 1946 ohne Unterbrechung von sozialdemokratischen Bürgermeistern regiert wird.
Den Genossen schwant zweifellos Schlimmes für die Kommunalwahl im Herbst nächsten Jahres. Was Wunder aber auch bei einer Partei, die maßgeblich zu einer Verschuldung unserer Stadt von aktuell 2,5 Mrd. € beigetragen hat, die sich primär heute um das Wohlergehen von Zuwandern in unseren Sozialsystemen kümmert und die sogar den weiteren Zuzug sogenannter Flüchtlinge nach Dortmund aktiv vorantreibt. Krasse Schönfärberei mit buntem Polit-Tralala aus der Multikulti-Pandorabüchse ist dazu das begleitende politische Dauercredo. Da irritiert es auch kaum, dass Dortmund in einer frischen wissenschaftlichen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) als „gefährdete Region“ eingestuft wird. Dortmund sei wie 19 weitere Regionen Deutschlands besonders strukturschwach und liefe Gefahr abgehängt zu werden, heißt es in der Studie.
Das hört sich bei Frau Lüders ganz anders an. Die SPD-Chefin singt beim Schwärmen für Herrn Westphal lieber das hohe Lied vom Dortmunder Arbeitsmarktwunder, das – welch ein Zufall in diesem Zusammenhang – auch der designierte OB-Kandidat Westphal als Wirtschaftsförderer immer wieder gern anstimmt: Das Lied von Dortmund als eine Stadt, in der die sozialversicherungspflichtigen Stellen auf immerhin 239 000 gestiegen sind.
Natürlich hat Dortmund auch von der guten Konjunktur in Deutschland profitiert. Allerdings sind zu viele Zuwachs-Stellen im Niedriglohnsektor angesiedelt und sind Stellen auf Zeit. Nur reiche Familien in Dortmund können heute noch mit nur einem Verdiener ihr Leben bestreiten.
Mit dem Sommerloch-Interview der SPD-Vorsitzenden hat die SPD Dortmund ihrem noch amtierenden Oberbürgermeister jetzt das Heft des Handelns überraschend vorzeitig aus der Hand genommen. Das dürfte Herrn Sierau sicherlich alles andere als gepasst haben. Offenbar mochte es den Parteigenossen gar nicht mehr gefallen, dass Sierau in bekannter Sonnenkönigsmanier seine Kandidaturfrage als Teil der eigenen Selbstinszenierung bis zuletzt offen lassen wollte.
Jetzt hat seine Partei für ihn entschieden, denn der Druck ist groß. Fraglicher denn je ist, ob die Dortmunder SPD erstmals in ihrer Geschichte keinen Oberbürgermeister mehr stellen kann. Voraussichtlich wird es künftig keine Stichwahl um das Amt mehr geben. Im ersten Wahlgang zählt dann die Stimmenmehrheit. Aus der letzten Oberbürgermeisterwahl war OB Sierau nur äußerst knapp und in der Stichwahl als Sieger hervor gegangen. Nachdem die Dortmunder CDU damals mit der politisch cleveren Dr. Annette Littmann (früher FDP, heute CDU) als OB-Spitzenkandidatin einen kommunalpolitischen Überraschungscoup gelandet hatte, konnte sich Sierau damals nur mit wenigen Stimmen Mehrheit erst im zweiten Wahlgang durchsetzen. Ein „Oberbürgermeister der Herzen“ war er also nicht.
Hätte die Dortmunder AfD nicht selbst so gute OB-Spitzenkandidaten, würde man Frau Littmann gern zurufen: „Machs noch mal, Annette!“ Sie hätte heute weit bessere Chancen, die unselige SPD-Dauerregentschaft in Dortmund zu beenden. Dass sie es kürzlich für die CDU nicht ins Europaparlament geschafft hat, dürfte sie mit Blick auf den Dortmunder Spitzen-Posten eher motivieren. Und hinzu kommt: Wen hätte die CDU Dortmund auch sonst?
(Autor: Heiner Garbe)