Wir haben eine gute Verfassung, aber sind wir noch in guter Verfassung?

Ein Beitrag von Matthias Helferich (Stellv. Landessprecher der AfD NRW)

Als Bundespräsident Richard von Weizsäcker diese Frage aufwarf, konnte er sich sicherlich nicht vorstellen, auf welchen verfassungspolitischen Ungeist er im Jahre 2020 bei den Vertretern der bundesrepublikanischen Staatselite treffen würde.

Angesichts zahlreicher Proteste gegen die Freiheitseingriffe aufgrund der Corona-Maßnahmen äußerte sich CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in der Augsburger Allgemeinen, wie folgt:

„Wir lassen nicht zu, dass Extremisten die Corona-Krise als Plattform für ihre demokratiefeindliche Propaganda mißbrauchen.“

Der gescheiterte Jurastudent Ziemiak offenbart damit die immer stärker zu Tage tretende Verfassungsverachtung des Establishments. Friedliche Bürgerproteste per se als Ansammlung von „demokratiefeindlichen“ Rechtsextremen, verschwörungstheoretischen Irrlichtern und Verfassungsfeinden zu diffamieren, stellt wohl selbst einen erheblichen Angriff auf die Versammlungsfreiheit unseres Grundgesetzes dar.

Denn wäre das Establishment wirklich so Grundrechtsvernarrt, wie es stets vorzugeben scheint, würde es diese stillen Proteste und die Sensibilität der Teilnehmer für eine zeitweise Gefährdung unserer Freiheitsordnung begrüßen.

Die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG dient der „ungehinderten Persönlichkeitsentfaltung“ und ist laut Bundesverfassungsgericht „für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend.“.

Ferner gewährleistet die Versammlungsfreiheit „ein Stück ursprünglicher unbändiger unmittelbarer Demokratie“. Es sollte stutzig machen, mit welcher Missgunst der polit-mediale Komplex die Demonstrationen linker, rechter, liberaler und bürgerlicher Gruppen kommentiert. Doch verwundern tut es nicht: Unsere Verfassung begrenzt politische Macht, kontrolliert Politiker und schützt die Freiheit des Bürgers – es gibt wohl keinen größeren Dorn im Auge machtbewusster Entscheidungsträger.

Die Bürger unseres Landes sind daher gut beraten, wenn sie den Schmähungen und Diffamierungen der Ziemiaks trotzen und von ihrem grundgesetzlich verbürgten Freiheitsrecht – stets friedlich und ohne Waffen – Gebrauch machen. Denn der freiheitliche Verfassungsstaat lebt von der Freiheitlichkeit seiner Bürger. Oder um den ehemaligen Bundesverfassungsrichter und Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde mahnen zu lassen:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

 

Wir sehen uns auf der Straße,

Ihr

Matthias Helferich