Mit der vorübergehenden Festnahme von Marzouk Chargui, Verbundsbetriebsratschef der EDG, gibt es seit Donnerstag nicht nur einen Korruptionsskandal um die stadteigene Entsorgungsgesellschaft. Vielmehr trifft der in seinem ganzen Ausmaß noch nicht erkennbare Skandal um abkassierte Gelder im Gegenzug für Arbeitsverträge vor allem wieder einmal die Dortmunder SPD.
Treibstoff für den Karriere-Motor Charguis, der zugleich auch im Aufsichtsrat der EDG-Holding und der EDG mbH sitzt, war im roten Dortmund natürlich einmal mehr die übliche Melange aus dem unverzichtbaren SPD-Parteibuch und der obligaten Gewerkschaftsmitgliedschaft. Darüber hinaus hatte sich Chargui als Spitzenkandidat auf der Internationalen SPD-Liste für den Integrationsrat der Stadt inszeniert und sich im letzten Jahr zum Vorsitzenden des Integrationsrates wählen lassen. Sein Werbeplakat-Motto neben dem SPD-Logo: „Besser werden – Dortmund bleiben“.
Oberbürgermeister Thomas Westphal höchst selbst hatte die Wahl des neuen Integrationsratsvorsitzenden Chargui im Kongresszentrum der Westfalenhallen geleitet. Westphals damalige Grußworte wirken heute nach dem Hochkochen des Skandals wie bitterer Sarkasmus: „Dortmund ist die Großstadt der Nachbarn und der Integrationsrat ist eine Institution, die in allen kommunalpolitischen Diskussionen und zukünftigen Entwicklungen der Stadt eine wichtige Stimme haben wird.“
Jetzt wird die „wichtige Stimme“ erst einmal im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren wichtig. Redet Chargui jetzt? Wie viele neue „Mitarbeiter“ führte er der EDG auf diese Weise zu und wer sind mögliche Hintermänner im Unternehmen? Für eine vermittelte EDG-Einstellung – „Vorbereitungskurs“ inklusive – soll Chargui bis 5000 € pro Person kassiert haben. Der nebenberufliche „Ausländerbeiratschef“ füllte seinen Nebenjob offenbar konsequent aus: Er soll nur 3000 € für Ausländer, aber 5000 € für Deutsche verlangt haben. Ein sehr eigenwilliger Ausländer-Integrationsansatz.
Verhaftet wurde Chargui am Donnerstag in einer Nordstadt-Pizzeria, als offenbar eine neue „Mitarbeiter-Schulung“ anstand. Durchsucht wurden Wohnung und Arbeitsplatz des Verdächtigen, der später wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Auf Druck der SPD trat Chargui gestern als Vorsitzender des Integrationsrates zurück.
Heiner Garbe